PAUL BOLDT
CAPRICCIO
Entlaubte Parke liegen treu
wie Doggen
Hinter den Herrenhäusern, um
zu wachen.
Schneestürme weiden, eine
Herde Bachen.
Oft sind die Rehe auf dem
jungen Roggen.
Und eine Wolke droht den
Mond zu schänden.
Die Nacht hockt auf dem
Park, der stärker rauscht.
Zwei alte Tannen winken,
aufgebauscht,
Geheimnisvoll mit den
harzigen Händen.
Die Toten sitzen in den
nassen Nischen.
Auf einem Kirchenschlüssel
bläst der eine,
Und alle lauschen,
überkreuzte Beine,
Die Knochenhände eingeklemmt
dazwischen.
Am großen, kalten
Winterhimmel drohn
Vier Wolken, welche
Pferdeschädeln gleichen.
Der Winde Brut pfeift in den
hellen Eichen,
Daraus der gelbe Geier Mond
geflohn.
Der Tod im Garten tritt jetzt
aus dem Schatten
Der Tannen. Rasch. Das
Schneelicht spritzt und glänzt.
Der Schrecken flattert breit
um das Gespenst,
Das seinen Weg nimmt quer
durch die Rabatten.
Zum Schloß. — Dort ruft man:
„Prosit Neujahr! Prost!“
Zu zwölfen sind sie, der
Apostel Schar,
Und mit Champagner taufen
sie das Jahr,
Umstellt vom Sturm, der auf
den Dächern tost.
Armleuchter flacken. Dampf
von heißem Punsch.
Der Hitze Salven krachen vom
Kamin.
Geruch der Weiber —
Trimethylamin,
Die Bäuche schwitzen in der
großen Brunst.
Jetzt stehn sie auf. Das
Stühlerücken schurrt.
Der Tod im Flur ist nicht
gewohnt die Speisen.
Er hebt den Kopf gegen das
kalte Eisen
Der Schlüsseltülle,
schnuppert gierig, knurrt.
Kommt jemand? Still. Er
hupft unter die Treppe.
An einem Fräulein zerrt ein
Kavalier.
Der Tod schleicht hinterher,
ein fletschend Tier
Aus Mond; das trägt der Dame
Schleppe.
Sie kommen an die Gruft —:
„Hier sind wir sicher!“
— „Ich fürchte mich, oh,
sind die Bäume groß!“
Der Tod schupst sie — kein
Schrei, sie quieken bloß —
Und läuft hinweg mit
heftigem Gekicher. — —
Es dämmert endlich. Mit
Blutaugen stiert
Der Morgen hin. Im Saal
zappelt ein Märchen.
Der Tod wühlt in den fetten,
welken Pärchen,
Frißt sie wie Trüffeln, die
ein Schwein aufspürt.
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